Biotechnologie: Auf dem Weg zur Nummer Drei
Biotechnologie: Auf dem Weg zur Nummer Drei

sachsen_lb.gif Im Mai 2005 fand in Leipzig zum zweiten Mal der Weltkongress für Regenerative Medizin statt. Die Organisatoren, die Internationale Stiftung für Regenerative Medizin gGmbH Leipzig, begrüßten 600 Mediziner, Forscher und Unternehmer aus 30 Ländern. Diese kamen aus den Bereichen Medizin, Technik, Biotechnologie und Pharmaindustrie. Einer der Redner war Prof. Jörg Wiltfang, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Kiel. Der Experte für Gewebetransfers im Kiefer- und Gesichtsbereich machte im Vorfeld des Kongresses deutlich: "Man wird zukünftig nach Leipzig schauen, wenn es um die Fortschritte der regenerativen Medizin geht, da bin ich mir sicher". Dafür sprächen die Leistungen der Leipziger Forscher.

Beispielsweise, so Wiltfang, sei Prof. Augustinus Bader vom Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum der Universität Leipzig bei der Züchtung von Herzklappen in Bioreaktoren weit fortgeschritten und mittlerweile international anerkannt. Nicht nur dieser Kongress zeigt, welchen Stellenwert Leipzig der Biotechnologie beimisst – und welchen Rang die Stadt und der gesamte Freistaat auf diesem Gebiet mittlerweile einnehmen. Ein weiteres aktuelles Beispiel, das die positive Entwicklung verdeutlicht, ist das neue Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), das derzeit in der Messestadt entsteht. 050825_sachsenlb2_1.jpg

Die Biotechnologie, d. h. die Nutzung lebender Organismen oder ihrer zellularen Bestandteile für die Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen, hat sich in den vergangenen Jahren erfreulich rasant entwickelt. Derzeit gibt es in Sachsen 53 Kernunternehmen (Core Biotechs) - das sind doppelt so viele wie im Jahr 2000, als die 200 Mio. Euro schwere Biotech-Offensive des Freistaates startete. Außerdem sind in der Branche sechs Pharmaunternehmen und über 100 spezialisierte Dienstleister und Zulieferer tätig. Biosaxony ist damit eine der Top-Regionen in  Deutschland, wie der Deutsche Biotechnologie-Report 2005 belegt. Demnach rangiert Sachsen derzeit - gemessen an der Anzahl der Unternehmen - auf Platz 7. (Hintergrund: In Deutschland gibt es 25 Bioregionen.) Auch bei der Zahl der Mitarbeiter un  beim Umsatz konnte Sachsen in den vergangenen Jahren weiter zulegen. Mehr noch: „Wir haben in Sachsen seit 2000 nicht eine einzige Insolvenz in dieser Branche - das kann in Deutschland keine andere Bioregion von sich behaupten“, weiß Thomas Jurk, sächsischer Wirtschaftsminister. Sachsen hat damit sowohl in Infrastruktur, Wissenschaft und Forschung als auch in der wirtschaftlichen Nutzung den internationalen Anschluss geschafft. Doch was ist das Geheimnis des Erfolgs?

Dresden und Leipzig ziehen Unternehmen an

050825_sachsenlb2_2.jpgZugute kam dem Freistaat auf jeden Fall, dass man auf Erfahrungen anderer Bundesländer zurückgreifen konnte, die bereits Jahre zuvor mit der Etablierung der Branche begonnen hatten. Zudem waren und sind folgende drei Punkte für den Erfolg der Branche entscheidend. Zum einen die regionale Fokussierung auf Dresden und Leipzig. In der BI  CITY LEIPZIG und im BioInnovationsZentrum Dresden (BioZ) haben 49 der 53 Kernunternehmen ihren Sitz. Die für Unternehme  zur Verfügung stehenden Bereiche sind in Leipzig zu ca. 80 Prozent und in Dresden zu mehr als 60 Prozent ausgelastet. Diese Zahlen sind im deutschlandweiten Vergleich bei weitem nicht die Regel. Die für den universitären Bereich vorgesehenen Flächen sind mit ihren je sechs neuen Professuren voll belegt. Erfolgsindikator Nummer Zwei ist somit die Verbindung zwische  Wirtschaft und Wissenschaft. Grundsätzliches Ziel sei es dabei, aus Wissenschaftlern Unternehmer zu machen, sagte Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der BIO CITY LEIPZIG, im Interview mit sachsenlb.de.

Die inhaltlich unterschiedliche Ausrichtung ist gewollt und zugleich Erfolgsindikator Nummer Drei: Während in Dresden der Schwerpunkt Molecular Bioengineering etabliert wurde, der auf den traditionellen Stärken in Medizin, Ingenieurwissenschaften und Materialforschung aufbaut, entwickeln sich in Leipzig vor allem die Bereiche Zelltherapie und Diagnostik - und damit die bereits erwähnte Regenerative Medizin. Damit kann man in der Messestadt an die bereits seit Jahren bestehenden Voraussetzungen anknüpfen. So gab es hier bereits vor 2000 u.a. eine engagierte biochemische Fakultät, das Max-Bürger-Forschungszentrum (MBFZ) und das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung Leipzig (IZKF).

RESprotect: Ausgezeichnetes Unternehmen

050825_sachsenlb2_3.jpg Sowohl in der BIO CITY LEIPZIG als auch im BioZ haben viele innovative Firmen ihren Sitz. Eine von ihnen ist die Firma Novaled GmbH, die in Dresden ansässig ist. Das Unternehmen ist schwerpunktmäßig im Bereich Nanobiotechnologie tätig und führend in der Entwicklung so genannter Organic Light Eveting Displays (OLED Displays). Dabei werden - anders als bei herkömmlichen Liquid Crystal Displays (LCD-Displays) - organische Schichten benutzt, um Licht zu emittieren. Ein weiteres Dresdner Unternehmen, das in der Nähe der Kliniken der Technischen Universität Dresden und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik seinen Sitz hat, ist die RESprotect GmbH. Im Mai 2005 wurde das Unternehmen mit dem „IQ Innovationspreis Mitteldeutschland“ ausgezeichnet – und das aus gutem Grund: Schließlich entwickeln Geschäftsführer Prof. Rudolf Fahrig und seine Mitarbeiter derzeit ein Medikament, das die Überlebensspanne bei Menschen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs verdoppelt. RESprotect ist Industriepartnerschaften mit einer deutschen und einer ungarischen Firma eingegangen und will das Medikament namens RP 101 2007/ 2008 auf den Markt bringen. In der BIO CITY LEIPZIG ist u.a. die Curacyte AG zu finden, die bis Anfang 2005 ihren Stammsitz in München hatte. Nach der Fusion mit der IBFB PHARMA GmbH ist Curacyte nunmehr eine Finanzholding mit drei 100- prozentigen Tochtergesellschaften in Leipzig, Jena (Thüringen) und Chapel Hill (North Carolina, USA). Das biopharmazeutische Unternehmen synthetisiert und entwickelt Wirkstoffe für die Behandlung verschiedener Entzündungskrankheiten. Ebenfalls von Leipzig aus agiert die VITA 34 AG. Ihr Spezialgebiet ist die fachgerechte Präparation und Aufbewahrung von Nabelschnurblut. Auf diesem ist Vita 34 führend in Europa.

Auch, wenn die beiden Standorte die Zentren der Branche sind, gibt es Biotech-Unternehmen, die in anderen Regionen tätig sind. So auch die BiLaMal-Unternehmensgruppe, die ihren Sitz in Stollberg hat. Dr. Klaus Trommler, Geschäftsführer der BiLaMal Produkte GmbH, der Mikrobiologisch-Analytische Labor GmbH und des Instituts für Biotechnologie, Laboranalytik und Consulting GmbH empfindet dies keineswegs als Nachteil.

050825_sachsenlb2_4.jpg Ab 2006, so die Vorstellungen der sächsischen Koordinierungsstelle für Biotechnologie biosaxony und ihrer Projektleiterin Dr. Ann De Beuckelaer, soll sich die Biotechnologiebranche aus eigener Kraft entwickeln. Helfen werden dabei die zahlreichen interdisziplinären Projekte in Sachsen, die es beispielsweise bei Nanochips und Nanostrukturen gibt. „Aus diesen Kooperationen werden wichtige Wachstumsimpulse kommen“, ist sich Thomas Jurk sicher. Dadurch und durch die weitere Unterstützung des Freistaates bei Ansiedlungen sowie bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten soll sich die Biotechnologie als dritte Säule des Wirtschaftsstandortes Sachsen etablieren - neben der Chip- und der Automobilindustrie. Um dorthin zu kommen, müssen sich viele der derzeit in der Start-up-Phase befindlichen Unternehmen etablieren, weiter in Forschung und Entwicklung investieren und die ersten Produkte auf den Markt bringen. De Beuckelaer zufolge soll die Region so attraktiv gemacht werden, „dass es zur Ansiedlung eines großen Pharma- oder Biotechnologieunternehmens kommen könnte."

Region Mitteldeutschland gewinnt an Bedeutung

Da man gemeinsam stärker ist, gibt es zudem verschiedene Anstrengungen, um die Biotechnologieregion Mitteldeutschland weiter zu stärken. So gründete Jörn-Heinrich Tobaben mit Unternehmern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt ein so genanntes Cluster-Board. Auf diese Weise werde Mitteldeutschland als Biotech-Standort im gesamten Land verstärkt wahrgenommen, sag  er. Allerdings sei der Abstand zu den derzeit größten Biotech-Regionen in Deutschland, München und Berlin, noch beträchtlich.
Auch international will und muss die Branche stärkere Akzente setzen. „Aufgabe von Wissenschaft und Wirtschaft, der beteiligten Ressorts der Landesregierung, aber auch der regionalen Wirtschaftsfördereinrichtungen sollte es weiterhin sein, gemeinsam die Stärken auszubauen und Sachsen mit seiner Marke biosaxony auch im internationalen Umfeld weiter zu profilieren“, führt der im Januar 2005 veröffentlichte Biotechnologie-Bericht dazu aus. Der Weltkongress für Regenerative Medizin hat dazu sicherlich beigetragen. Und ganz bestimmt gelingt es Sachsen, auch auf der BIO-Europe, der größten Konferenz für Partnerschaften zwischen Biotech- und Pharmaunternehmen, die im November 2005 in Dresden stattfindet, auf sich aufmerksam zu machen.
 
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