Brücken bauen an der Elbe PDF Print E-mail
Brücken bauen an der Elbe - Moderne Medizin nutzt Biotech-Know-how

Das InnoRegio-Netzwerk BioMeT Dresden bringt Forscher und Unternehmer zusammen.

050101_unternehmen_region_0105.jpg RESprotect-Gründer Prof. Rudolf
Fahrig mit einem Labortest seines
Anti-Resistenz-Nukleosids.

 

 

 

 

 

 „Eigentlich fiel mir der Absprung leicht”, sagt Rudolf Fahrig. Mit 59 Jahren allerdings ein gewagter Sprung – aus dem gesicherten Beamtendasein in die Selbstständigkeit: „Schließlich ging es um mein Lebenswerk.” Seit 1984 hat der Biologie-Professor fast zehn Jahre lang am Fraunhofer-Institut Hannover geforscht, bis er eine Substanz entwickelt hatte, die eine Resistenz von Krebszellen gegen die Chemotherapie verhindert. „Dann habe ich noch mal sechs Jahre gebraucht, bis dieses Nukleosid beim Menschen anwendbar war”, erzählt Fahrig weiter. Und nur weil die Pharmafirma, mit der er zusammenarbeitete, 1999 pleite war, sollte seine revolutionäre Entwicklung in der Schublade bleiben? „Da wollte ich es lieber selbst versuchen”, erinnert sich Fahrig, und so gründete er im Mai 2000 seine Firma „RESprotect”.

Dresden steht auf Biotechnologie

Als es dann um die Standortfrage ging, trat Hans- Jürgen Große, Koordinator des kurz zuvor gegründeten Netzwerks BioMeT Dresden, auf den Plan: „Wir wollten Fahrig zu uns holen, um fast jeden Preis.” Also wurden ein Büro und Labors besorgt, und ei  Mitarbeiter abgestellt, der sich um die viel versprechende Firma kümmerte – mit Erfolg: „Von Dresden war ich von Anfang an begeistert”, sagt Rudolf Fahrig: „Eine schöne Stadt mit einer positiven Einstellung zur Biotechnologie. Das findet man nicht oft.“ Und die Kontaktmöglichkeiten des Netzwerks haben ihm schon diverse Male weitergeholfen: „Die Uni-Klinik Dresden etwa hat mir viele Patienten für meine klinischen Prüfungen vermittelt.”

Nicht nur für Firmengründer Fahrig ist das Netzwerk ein wichtiger Standortvorteil. Und in einem sind sich die BioMeT-Mitglieder einig: „Allein dass wir uns alle kennen gelernt haben, das war das Geld schon wert”, sagt Hans-Jürgen Große, Leiter der Geschäftsstelle des BioMeTDresden- Netzwerks mit über 230 Partnern. Nach der Wende seien so viele Unternehmer und Professoren aus ganz Europa, sogar den USA nach Dresden gekommen, erinnert sich Große: „Da sind wir uns jahrelang auf der Straße oder am Campus begegnet, und kaum einer hat den anderen gekannt.” Dabei hätten doch alle Unternehmen und Institutionen hier das gleiche Ziel, so Netzwerker Große: „Innovationen an den Markt bringen und unsere traditionellen Branchen in der Region mit den neuen Technologien stärken.” Entstanden ist das Netzwerk BioMeT Dresden Ende 1999 auf Initiative der „Gesellschaft für Wissens- und Technologie-Transfer” (GWT) der Technischen Universität. „Wir wollten das Biotechnologie- Know-how in Dresden bündeln, Wissenschaft und Wirtschaft an einen Tisch bringen”, sagt BioMeT-Chef Große, gleichzeitig auch Leiter des Biotechnologie-Fachbereichs der GWT,

050101_unternehmen_region_0105_2.jpg Cenix-Forschungsleiterin Birte Sönnichsen (rechts),
BioMeT-Koordinator Hans-Jürgen Große (mitte) und ein
Cenix-Mitarbeiter bei der Hochdurchsatz-Genanalyse.

 

 

 

 

 

 

die 1998 aus der Universität Dresden ausgegründet wurde. Als im Sommer 1999 dann die Inno- Regio-Ausschreibung kam, wa  für Hans-Jürgen Große klar: „Das ist unsere Chance.” Die GWT entwickelte das Konzept, in dem regionale Partner eine zentrale Rolle spielten. „Wir haben uns mit 67 Projekten beworben, davon laufen heute 36 Verbundprojekte – mit 90 Einzelprojekten, über 80 Partnern, davon fast 50 Unternehmen, und einer Gesamtförderung von rund 24 Millionen Euro”, so Große nicht ohne Stolz.

Ehrgeizige Ziele 

Die Ziele von BioMeT Dresden sind ehrgeizig: „Bis zum Ende der Förderung in einem Jahr wollen wir 2.500 Arbeitsplätze schaffen“, erklärt Große. Etwa die Hälfte dürfte es bisher schon sein, u. a. in 16 Unternehmensgründungen und vier Neuansiedlungen. „Da viele Projekte erst nach Förderende in die Produktphase kommen, hoffen wir doch, dass die Dynamik entsprechend zunimmt und wir unsere Vision umsetzen können“, so der BioMeTKoordinator.

Eines der ersten am Markt erfolgreichen BioMeT-Projekte war die „Entwicklung einer Plattform für DNA-Befunde“ durch die Biotype AG, ansässig in den schön renovierten, historischen „Deutschen Werkstätten Hellerau“ in dem gleichnamigen Dresdner Vorort. Drei Jahre lang haben Biotype-FuE-Chef Werner Brabetz und sein Team ab Mitte 2001 verschiedene DNA-Tests entwickelt – darunter eine Verträglichkeitsprüfung nach Knochenmarktransplantationen und mehrere Genanalyse-Kits („genetischer Fingerabdruck“), die bereits mit minimalen oder gar zerstörten Gewebeproben (ab drei Körperzellen) auskommen. „Ohne die InnoRegio-Förderung hätte eine so kleine Firma wie wir diesen Forschungs- und Entwicklungsaufwand niemals stemmen können“, sagt Vertriebsleiter Martin Jung. Fast die Hälfte des Projektvolumens von rund zwei Millionen Euro sei aus Fördermitteln gekommen, so Jung. Mit den neu entwickelten „Tatort-Kits“, die vor allem Gerichtsmediziner und Kriminalämter schätzen, konnte Biotype in Deutschland mittlerweile einen bedeutenden Marktanteil erreichen.

Eine solche Marktdurchdringung steht Cenix Bioscience noch bevor. Das 1999 aus dem „European Molecular Biology Laboratory“ in Heidelberg und dem Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik ausgegründete Biotech-Unternehmen gehört zu den Pionieren der 1998 von Andrew Fire an der kalifornischen Stanford University entwickelten so genannten RNAi-Technologie. Mit deren Hilfe kann die Funktion bestimmter Gene in Körperzellen gezielt unterdrückt werden. So könnten eines Tages Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose oder Diabetes direkt an ihrem Entstehungsort, in der Zelle, bekämpft werden. „RNAi-Medikamente sind aber noch Zukunftsmusik“, sagt Cenix-Forschungsleiterin Birte Sönnichsen. „Derzeit sind wir dabei, die für Krankheiten verantwortlichen Gene und ihre Funktionen zu identifizieren.“ Unter einer ganzen Reihe von weltweit tätigen Unternehmen, die sich mit RNA-Interferenz beschäftigen, hat sich Cenix eine besondere Expertise erworben, auch schwierige Zelllinien besonders schnell zu untersuchen – im so genannten Hochdurchsatz: „Mit zwei automatisierten Hochleistungsmikroskopen und einer spezialisierten Auswertungssoftware können wir hier pro Stunde etliche hundert Gene analysieren“, erklärt die Biologin Birte Sönnichsen im High-Tech-Labor von Cenix. Die Biotech-Firma, die mit 26 Mitarbeitern schon zu den größeren der Branche gehört, zählt unter anderen Bayer und Schering zu ihren Kunden. Wann allerdings die erste  Medikamente entstehen, ist noch unklar: „Derzeit ist das Hauptproblem, die RNAi an das kranke Organ zu bringen“, so Sönnichsen. Wo dies gelungen ist, wie bei DMS, einer degenerativen, altersbedingten Augenkrankheit, sind entsprechende Medikamente schon in der klinischen Erprobung.

Wirkstoffe direkt an die Organe bringen

Ortswechsel in das Dresdner Villenviertel Lockwitz, zum alten Firmensitz des Arzneimittelherstellers Apogepha. Das seit 1882 in Dresden ansässige Familienunternehmen hat sich auf Urologie spezialisiert und ist unter anderem mit zwei selbst entwickelten Präparaten in einem umkämpften Markt durchaus erfolgreich. Im Rahmen eines BioMeT-Projekts erforscht man derzeit, wie die Wirksamkeit von Präparaten durch „drug targeting“ erhöht werden kann, erzählt Biotechnologie- Projektmanager Christian Schöberl im Labor der Dresdner Traditionsfirma: „Wir suchen nach Molekülen, die direkt an den Rezeptoren der erkrankten Organe wirken.“ Damit können die Dosierungen gesenkt und die Wirkung verbessert werden – „bei deutlich weniger Nebenwirkungen“, so Schöberl.

Auch wenn die Apogepha mit rund 170 Mitarbeitern schon zu den größten BioMeT-Unternehmen zählt, so ist der Forschungs- und Entwicklungsaufwand für die im Branchenvergleich kleine Firma enorm: „Von den ersten Forschungen bis zum Markteintritt sei bei einem Therapeutikum unter zehn Jahren eigentlich nichts machbar, weiß Christian Schöberl, „und auch nicht ohne Förderprojekte wie InnoRegio, die uns nicht nur Geld, sondern auch qualifizierte Partner zur Verfügung stellen.“ Dafür könne die Apogepha dann so manchem Start-up bei Zulassung, Marketing und Vertrieb unter die Arme greifen.

 Potentiale

Tissue Engineering oder Gewebezüchtung ist derzeit eines der Boom-Gebiete der Biotechnologie. Die Züchtung von funktionsfähigem Gewebe aus körpereigenen Zellen hat den Vorteil, dass die gefährliche Immunreaktion des Organismus, der fremdes Gewebe abstößt, weitgehend vermieden wird. Tissue Engineering kann zur Reparatur geschädigter Organe von Herzklappen über Luftröhren bis zu Haut und Knochen eingesetzt werden.

BioMeT Dresden
Hans-Jürgen Große
Tel.: 03 51 - 7 96 55 01
www.biomet.de

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Biotype-FuE-Chef Werner Brabetz
demonstriert die Verträglichkeitsprüfung
für Knochenmarktransplantationen.

 

English Summary
The Dresden-based BioMeT
network bundles the region’s
biotech know-how and manages
contacts between laboratories
and companies. Examples:
“ResProtect” has developed a
substance that prevents cancer
cells developing a resistance
against chemotherapy. With
DNA testing kits “Biotype” has
already earned a considerable
share of the German market.
Well-known for its efficient
high-throughput RNA-interference
method, “Cenix
Bioscience” has clients such as
Altana, Bayer and Schering. Run
by generations of the same family
drug manufacturer, “Apogepha”
uses “drug targeting” methods to
further improve the effectiveness
of its urological pharmaceuticals.